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Montag, 17. Juli 2006

Modewörter

Ich mag immer den Mann lieber, der so schreibt, wie es Mode werden kann,
als den, der so schreibt, wie es Mode ist.
(LICHTENBERG)

Der Unterschied zwischen modern und modern ist manchmal nur eine Frage der Betonung. (ENZENSBERGER)

Das Ringen mit dem Gedankenausdruck wird geringer, und je mehr sich der Geist nur des schon Geschaffenen bedient, desto mehr erschlafft sein schöpferischer Trieb und mit ihm auch seine schöpferische Kraft. (Wilhelm VON HUMBOLDT)

Äußerst beliebt sind die Wörtchen, die überall zu passen scheinen und doch nichts sagen, die wieder einmal das Nachdenken über das besondere Wort ersparen. Stürzen Sie sich nicht mit Begeisterung auf einen Ausdruck, nur weil er wieder und wieder in den Medien erscheint. Ihr Leser versteht Sie auch ohne diese kurzlebigen Wörter. REINERS schreibt dazu:
Der Satz Hebbels: »Das Wort finden, heißt die Sache selbst finden«, läßt sich auch verneinend formulieren: Wer das Wort nicht findet, hat auch die Sache nicht gefunden. Er empfindet nach einem festen Schema; er bemerkt nicht mehr die Eigenart der einzelnen Sache, sondern er ordnet sie ein in eine bequeme und gleichbleibende Wert- und Wortskala. Ein Ausländer, der Deutsch nicht aus Büchern, sondern aus der Umgangssprache erlernt hatte, besaß eine feste Reihenfolge von lobenden Ausdrücken, die er bei einem Museumsbesuch der Reihe nach abrollen ließ, nämlich wunderbar, Donnerwetter, kolossal und allerhand. Als er aber schließlich zu Dürers Aposteln gelangte, sagte er: Das Bild ist aber wirklich meine Herrn. Er hielt den Modeausdruck meine Herrn für das oberste Eigenschaftswort der Deutschen.


Ein bequemer Autor schreibt lieber nachvollziehen als zu überlegen, ob das, was er sagen will, sich mit begreifen, einsehen, einleuchten, billigen, nachfühlen, nachempfinden oder verstehen besser ausdrücken lässt. Wer die Hochhäuser auf dem Potsdamer Platz und den Rosenmontagszug in Köln als toll bezeichnet, hat vermutlich weder bei dem einen oder anderen etwas Besonderes empfunden, und wer Ich denke oder gar Ich habe angedacht (hat er nun gedacht oder nicht) schreibt, denkt gar nichts.
Ekkehard SCHWENK sorgt sich im Tagesspiegel über das Wort sorgen und sorgt so fürs Nachdenken besorgter Schreiber über den sorglosen Umgang mit der Sprache:
In unserer restlos verwilderten Sprache wird das Sorgen … nicht mehr nur als eine zwschenmenschliche Zuneigung, Hilfe, ja Fürsorge verstanden, sondern als Müllbeseitigung (Entsorgen), als Wetterwirkung (überfrierender Regen »sorgt« für Karambolagen), ja sogar als Euro-Eigenschaft, die in einer Zeitung stand: »Der Euro sorgt für kostenloses Parken.«

Auch mit betroffen, soweit es schmerzlich überrascht, innerlich bewegt oder berührt bedeutet, beziehungsweise Betroffenheit sollten wir sorgfältiger umgehen. Es ist seit den 1980er Jahren »zum Schlüsselwort des Empfindungsmenschen«, »zum Paßwort, das jeder gebrauchen muß, der für einen anständigen Menschen gehalten werden will« (Dieter E. ZIMMER), zur »moralisch begründeten Einstellung aller Geistestätigkeit« (Johannes GROSS) geworden.

Seien Sie ebenfalls vorsichtig mit mit Sicherheit. Sicherlich schreiben Sie es oft, ohne Zweifel lesen Sie es noch öfter, und gewiss haben Sie sich bisher darüber kaum Gedanken gemacht. Aber unbestritten ist es ein Modewort, und unzweifelhaft wird es der Lektor streichen, ja wir sind überzeugt, dass er die Stirn runzeln wird. Zweifellos werden Sie es nie wieder schreiben. Verlassen Sie sich darauf, Ihr Text gewinnt an Güte, wenn Sie mit Sicherheit vermeiden. Seien Sie sich Ihrer Sache sicher, bevor Sie ihn einreichen.

Der Politiker möchte ein Stück weit Freiheit, der Arbeiter ein Stück weit Freizeit; Lehrer und Schüler, Arbeitgeber und Gewerkschaften verhandeln auf Augenhöhe – kann Freiheit geteilt werden, Freizeit gestückelt werden? Ist der Schüler gewachsen, haben Arbeitgeber und Gewerkschaften Augen? Ein Journalist schreibt ein neues Wort, und alle Schreiber folgen nach, mag es noch so unsinnig sein. Der Rattenfänger von Hameln lässt grüßen. –

Mal ehrlich – sind Sie nicht bei manchen Wörtern zusammengezuckt? Und sind Ihnen nicht doch einige Wörtchen aufgefallen, die Sie auch liebend gern gebrauchen (und ist das nicht wieder eine Phrase? – Sie sehen, wie schwer man ihnen »aus dem Wege gehen« kann)? Doch wir sind sicher, dass Sie fortan mit Vergnügen Modewörter suchen und aus Ihrem Sprachschatz verbannen werden.

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